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Maximiliano

Die Destillation ist nicht weit vom Hotel gelegen, ein wahres Paradies für alle Freunde eines guten und gehaltvollen Tropfens. Hellemann ist hier Stammgast – kein Wunder. Er stand bereits an der Theke und begrüßte mich mit einem lauten „Andrew, kannst Du wieder geradeaus laufen, haha! Darf ich Dir Maximiliano vorstellen“, Maximiliano, medizinischer Assistent an der Pépinièreund damit klopfte er einem feingliedrigen jungen Mann so kräftig auf die Schultern, daß dieser sich an der Theke abstützen musste, um nicht mit dem Kinn auf den Gläsern zu landen.

Es dauerte etwas, bis er sich von der forschen Vorstellung erholt hatte, dann revanchierte er sich mit leisen ironischen Spitzen bei Hellemann. Man würde ihm gar nicht zutrauen Hellemanns Bilder-Verkäufer unter den doch eher als handfester verschrieenen Medizinstudenten an der Militärakademie zu sein. Doch vielleicht liegt genau darin sein Erfolgsrezept. Als medizinischer Assistent ist er jedenfalls auf den kleinen Nebenverdienst angewiesen, da er sich nicht – wie viele der Studenten – für den Armeedienst verpflichten will und daher keinen Anspruch auf ein staatliches Stipendium hat.

Ich weihte beide nur ganz ungefähr in mein Vorhaben ein. Sie wissen, daß ich auf der Spur eines ehemaligen Pépinière-Studentens bin, der 1899 aus London verschwand. Ohne mich festzulegen erwähnte ich eine unglückliche Liebschaft,  so daß beide nun denken müssen, er sei vielleicht vom Werther-Syndrom dahingerafft worden. Besser, ich belasse sie vorläufig in diesem Glauben…

Heute abend werde ich mit beiden zu einer „Frischlingstaufe“ an der Pépinière gehen – das Treffen mit L. versuche ich nachzuholen.