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Johans Lehrer Rudolf Virchow

Rudolf Ludwig Karl Virchow, *1821

Rudolf Virchow

Wer hätte gedacht, daß Johan tatsächlich ein solch guter Student war! Rudolf Virchow, obwohl mittlerweile stolze 79 Jahre alt, konnte sich noch bestens an Johan „Breuch“ erinnern – unter diesem Namen schrieb sich von Riepenbreuch Ende 1889 an der Pépinière ein. Er ließ JvR sogar an seine speziellen Sammlerstücke ran, die seit 1899 im Pathologischen Museum ausgestellt sind.

Er sei ein bemerkenswerter Zeichner gewesen, erzählte Virchow auch. Ein paar seiner anatomischen Zeichnungen habe er noch irgendwo – vielleicht kann ich ihn nochmals treffen und ihn um einen Blick auf die Werke bitten, für Das wilde Dutzend sehr interessant. Trotz dieses Talents habe er ihn auf die Photographie verwiesen „für gewisse pathologische Belege unersetzlich“ meinte der große alte Mann. Ein sehr fortschrittlicher Mediziner, schade, daß er wohl nicht mehr nach Amerika kommen wird.

Weshalb von Riepenbreuch verschwand konnte er mir leider auch nicht sagen; am Abend fünf Stunden zuvor fand ein umstrittenes Duell statt, bei dem ein sehr bekannter Offizier und ehemaliger Student der Pépinière umkam. Ob Johan an diesem Duell beteiligt war? Mußte er deswegen fliehen? Auch die Namensänderung ist mir noch ein Rätsel: von wem wollte er nicht erkannt werden?

Nun, ich muß sehen in dieser Richtung noch weitere Hinweise zu sammeln. Doch zuerst muß ich versuchen L. zu treffen, und herauszufinden, bei wem JvR die Photographie erlernte. Ein Empfehlungsschreiben für Zille habe ich mir von Virchow geben lassen, selbst wenn er Johan nicht kannte, so weiß er vielleicht bei welchem Photographen ich weiterfragen kann.

Je mehr ich über Johan erfahre, desto rätselhafter wird sein Schicksal. So viele Fluchten in so kurzer Zeit, ich frage mich wirklich, was und wer dahinter steckt. Ich habe allen, die ich bislang traf auch das Symbolblatt gezeigt, das mir aus London geschickt wurde, doch keiner konnte etwas mit dem Schlüssel anfangen.

Die Pépinière

Lieber Bellinger,

das „Frischlingsritual“ an der Pépinière war wie erwartet widerlich. Mit verbundenen Augen mußten die Erstsemester Menschen operieren – zumindest wurde ihnen das erzählt, als sie beherzt oder hasenfüßig begannen, in das Fleisch unter den weißen Laken zu schneiden.

Pépinière Studierzimmer um 1900

Pépinière Studierzimmer um 1900

In der Eingangshalle an der Friedrichstraße 139 war ein langes Alkoholbüffet aufgebaut, an dem sich alle Mut antrinken sollten, wie der Vorsitzende des Corps, ein Viertsemester mit Schmiß aasig lächelnd vorschlug.

Danach wurden sie in 3er Gruppen in einen hinter der Galerie gelegenen Raum geführt, von wo die älteren Jahrgänge und Gäste wie wir zusehen durften, wie selbst die Mutigsten spätestens dann einknickten, als ihre vermeintlichen Operationsopfer anfingen zu schreien. In Wahrheit verbargen sich natürlich Schweinehälften unter den Laken und andere Studenten schrien, um die Erstsemester zu verunsichern.

Es gelang mir jedenfalls, mir Johans Akte unter den Nagel zu reißen – allerdings wurde ich erwischt und mußte mit Hellemann gemeinsam fliehen. Offengestanden gibt es noch eine kleine zeitliche Lücke, wir erwachten heute Morgen unter der Friedrichsbrücke, mein Anzug ist stark mitgenommen, sonst ist aber alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen, Bellinger!

Hellemann dürfte außerdem verstanden haben, daß Andrew Downing nur mein Alter Ego ist, ein Wagnis, das ich eingehen mußte. Aus der Akte (übrigens unter dem Namen Johan Breuch) ging nicht allzuviel hervor. Ein sehr talentierter Student, der 1891 urplötzlich verschwand – nachdem er Rudolf Virchow nachhaltig beeindruckt hatte. Virchow werde ich gleich noch treffen, Hellemann kennt ihn (natürlich…), und er hält jetzt einen Vortrag über „Die Medizin, die Scharlatane und das Nutzen von überprüfbaren Wissen“. Wir müssen los!

A.